Wir fuhren in die Dunkelheit um so viel wie möglich an Kilometer zwischen uns und diesen vielen Menschen zu bekommen. Dabei stellten wir fest, dass Niemand uns verfolgte. Die furchtbaren Schauermärchen haben zwar einen realen Hintergrund, aber nur der ist in Gefahr, der sich mit Gesindel, wie Spekulanten, einlässt. Unser ungewollter Begleiter durch Polen wurde gleich an der Grenze zur West-Ukraine von drei zwielichtigen Gestalten "abgeholt". Zu unserem Pech ist noch zu sagen, dass er uns dann anschließend in der Nacht wach machte, als wir im Auto versuchten etwas zu schlafen. Es war eine Zumutung und das letzte Mal, dass wir uns zu solcher Begleitung überreden lassen. Bei den ca. 15 Fahrten, die wir alleine absolviert haben, sind wir trotz Pleiten, Pech und Pannen immer gut klar gekommen. Auf der Hinfahrt nach Kremenshug ging das Elend mit der Benzinknappheit los. Jede Tankstelle war besetzt, aber es gab kein Vergasertreibstoff. Der Tankwart verkaufte den aus seinem Privat-PKW. Liter für 1,- DM in 76`ger Qualität, ...... so dass der Motor nur so klingelte. Hätten wir doch gleich hinter der Grenze getankt, dort gab es noch was.

Die Miliz stoppte uns sehr oft zur Kontrolle. Immer wieder die selbe Prozedur. Sie sind es gewohnt, dass der Kraftfahrer mit seinen Papieren zu ihnen hingeht. Ich wartete geduldig, manchmal bis zu fünf Minuten, bis der Milizionär zu mir kam. Dann kurbelte ich die Scheibe runter und fragte was los ist. Vor jeder GAI-Station wird die Geschwindigkeit auf 60, dann 40 Km/h reduziert. Da es unheimlich viele Stationen gibt, war ich es leid laufend abzubremsen. Ich fuhr einfach mit 80 und mehr, weiter und verkürzte so zu sagen die Reaktionszeit für die Polizisten, schlüpfte durch. Einmal aber trillerte es mir hinterher. Vollbremsung machte ich deswegen nicht, sondern wendete nach einigen Metern. Gleiche Situation, warten, Scheibe runter,- dann war er wütend neben mir. Papiere raus und die Frage, wie schnell ich gefahren bin? Antwort:" 40 Km/h"! Milizionär noch wütender: "Dafür werden sie Strafe zahlen und nicht zu knapp"! Ich ganz ruhig:"Dann zeigen sie mir bitte ihr Radargerät mit dem Wert!" Milizionär wirft mir die Papiere zurück ins Auto und meint ich soll weiter fahren und die Sache mit meinem Gewissen abmachen. Andere waren dann cleverer hatten uns auf der Radarpistole und zeigten es. Aber mit einer kleinen Entschuldigung kamen wir davon. In der Nacht war das Anhalten oft sehr unangenehm, denn die Fahrzeuge, die wir im laufe der Zeit überholt hatten, rumpelten dann an uns wieder vorbei. Wir wurden von einem Milizionär nach Schnaps gefragt. Sein Kollege hätte Geburtstag und nichts zu trinken. Wir sagten, dass wir fast ausschließlich für Wodka getankt hätten und als er uns Benzin anbot bezahlten wir den gewohnten Preis an ihn.

In Kremenshug, bei unserer Freundin ruhten wir uns aus, schliefen uns aus und ich ging mit in die Stadt, in der ich einige Zeit während meiner Montage an der "Trasse" zugebracht hatte. Dieser Rundgang war enteuschend. Die Gebäude waren vielfach in schlechterem Zustand, als ich es vor fast 20 Jahren in Erinnerung hatte. Das Angebot in den Geschäften konnte im Vergleich zu Großstädten wie Minsk oder sogar Krasnodar nicht mithalten. Was ist aus dieser Stadt geworden, für die ich so viel Sympathie mitgebracht hatte? Oder bin ich schon ein "Wessi" geworden? Warum habe ich das früher nicht wahrgenommen? Oder hing das mit meinem "Klassenstandpunkt" als Genosse der SED zusammen? Ist dies das Ergebnis der Peristreuka von Gorbaschow? Es war endtäuschend!

Was unsere Freundin Galina und ihre Eltern über die Lebensumstände berichteten war uns schon zum Teil bekannt. Galina hat den Kauf des Hauses beantragt, hat aber keine 10 000,- Rubel. Als wir losfuhren von zu Hause hatten wir gehört von einem Wechselkurs 1,-DM = 100,-Rubel. In einem Anflug von Größenwahn oder übersteigerter Hilfsbereitschaft drückten wir ihr 100,-DM in die Hand. Die Freudentränen die dann kamen beschämten uns ein bisschen. Jetzt im nachhinein, beim Aufschreiben möchte ich penetrant kritisch feststellen, dass wir von allen, denen wir Gutes angetan hatten, brieflich überhaupt kein Echo bis heute (Monate später) ,- .... also vergessen wir das am besten. Unsere Gedanken sind oft bei diesen Verwanden und Bekannten und sind wir dort vor Ort ist die Wiedersehensfreude sehr groß. Wahrscheinlich bewahrheitet sich das alte Sprichwort "Aus den Augen, aus dem Sinn" (?). Für Luba ein 318`ner BMW, für Tolik ein Ford Granada, ich glaube wir werden in der Zukunft in die Verwandtschaft nichts mehr investieren! Vielleicht versuchen wir es mal mit der (damals) obligatorischen Tafel Schokolade pro Nase und dem Pfund Kaffee pro Familie. Mehr war bei unseren Westverwandten nicht drin! "koroscho po nimnoschko"!