Wir wurden ins Haus gebeten, welches mit wenigen Möbeln ausgestattet war. Vom Flur aus ging es in die Wohnstube. In der linken oberen Zimmerecke hing eine Ikone aus Holz, zu der sich der Eintretende bekreuzigte. Schrank Tisch mit zwei Stühlen, ein Stuhl stand noch an der Wand, auf dem Boden und an der Wand ein Teppich, dass war die ganze Einrichtung. Im nächsten Zimmer sah es ähnlich aus nur noch ein Fernseher machte die Sache komplett. Betten mit Diwan-Decken bedeckt, ein Radio, eigentlich nur ein Lautsprecher, mit der man das Programm empfing, welches durch die zwei Drähte gebracht wurde vom Kolchosbüro. Eine zweckmäßige Angelegenheit, denn so war es auch durchaus möglich die Kolchosmitglieder zu informieren, zusammen zu rufen und außerdem wurde ein Radio eingespart. Bei den meisten meiner Bekannten lief es Tag und Nacht. Ich bot an für Material zur Reparatur zu sorgen. Bretter, Pfosten und Nägel besorgte ich mit Hilfe meines Meisters. Er gab mir einen Tag frei. Unser deutsches Lager bezog Bretter aus einem kleinem Sägewerk in der Nähe. Sofort setzte man ein altes Gatter, offenbar ein Beutestück, für mich in Gang und schnitt sie mir zu. Auf einer Kreissäge brachte ich die Pfosten auf Länge, lud alles auf meinen Werkstattwagen, einschließlich der Nägel und fuhr hin zu den Leuten.


Wer sich hier wieder erkennt Mail an Sven.Meden@t-online.de!

Die freuten sich wieder sehr, bewirteten mich mit Tee und Gebäck. Die Sauberkeit im Haus, die Freundlichkeit und der Einfallsreichtum bei der Verständigung beeindruckten mich sehr. Sie zeigten mir Haus und Hof. Das ukrainisch ist noch etwas anders als russisch, - aber wenn Menschen sich verstehen wollen, dann verstehen sie sich tatsächlich. Als ich abgeladen hatte wurde ich gefragt, ob ich noch mehr besorgen könne. Zement, Gips, Steine, Nägel verschiedener Größen usw. ....., ich lehnte ab, auch nicht für Geld, denn das währe ein Lied ohne Ende geworden. Da war ich mir ziemlich sicher. Bin später oft an dieser Stelle vorbei gefahren. Wann immer es ging hielt ich an, wurde freundlich begrüßt und mit Tee bewirtet. Nach ein paar Monaten fragte ich warum der Zaun nicht repariert wird. Daraufhin zuckte der Hausherr nur mit den Schultern und meinte dass das Material zu Ende ist. Da war es bei mir vorbei, denn das hätte fast für zwei Zäune gereicht. Er hatte es verbraucht für Haus und Hof,- da konnte und wollte ich nicht mehr helfen. Somit ließ ich mich nicht mehr sehen.

Jetzt komme ich noch mal zur eigentlichen Arbeit, die zu verrichten war. Meine Zeit bei RIV (Rohr isolieren und versenken) war von vielen Höhen und Tiefen begleitet. Kurz beschrieben hielten 6 bis 8 Rohrlegerkräne den fertig zusammengeschweißten Strang mit Spezialtrahversen. An einem Kran hing dann ein Apparat der Firma Mitcon, der das Rohr mit Bürsten reinigte und vier Plastbinden umwickelte, die erste Schicht wurde auf vorher aufgebrachten Kleber gewickelt. Das hört sich ganz einfach an, war aber in der Erprobungsphase mächtig kompliziert, weil keinerlei Erfahrungswerte vorhanden waren. Die US Firma Mitcon soll durch ehemalige Ingenieure der Firma Crown gegründet worden sein. Drei Mann von ihnen waren vor Ort. Auf Einzelheiten der Technologie und was wir daraus machten, möchte ich nicht unbedingt eingehen. Nur so viel sei gesagt, dass diese Leute auch für mich sehr interessant waren. Schließlich eröffneten sie mir damals eine Neue Welt.

Der Umgang mit den Amis war ohne Probleme. Die Probleme lagen wo anders, sie wurden durch die Abteilung Sicherheit immer wieder neu bestimmt. Nur ein kleiner Kreis von Kollegen durfte über "Kontaktpersonen" arbeitsspezifische Dinge mit den Monteuren von der Firma Mitcon klären. Sie hatten einen Jeep zur Verfügung, Essenwagen mit Köchin und konnten sich der äußersten Aufmerksamkeit der Sicherheitsabteilung sicher sein. Der Boss war Dr. Betson, er hatte alle Vollmachten seiner Firma. Er konnte selbständig Verträge ändern, ohne Rücksprache in Amerika. Natürlich richtig, aber für uns war das etwas total Neues. Wenn auf der Baustelle etwas zu entscheiden war, dann dauerte es lange bis aus Tscherkassi von der obersten Bauleitung ein Ergebnis eintraf. Bauleiter die selbständig und flexibel handelten waren wenige vorhanden, so weit ich das mit meinem "begrenzten Horizont" einschätzen kann. Eine Ausnahme gab es und das war "Bodo", aber auf den komme ich später noch zu sprechen. Auch vom Äußeren machten die Ami`s was her mit ihren Jeansanzügen, rohlederne Cowboy-Stiefel, Fellwesten, Sofortbildkameras in der Tasche und eine besondere Art sich zu benehmen, die wir zu nächst für "hochnäsig" gehalten haben.

Dr. Betson

Die Jungens von der Sicherheit waren immer bereit dem Klassenfeind auf die Finger zu sehen. Bei dem einfachen Aufbau diesen Maschine aus Texas wird es mir ewig ein Rätsel bleiben, weshalb wir das Ding in der DDR nicht allein gebaut haben ? Zumal jedes Jahr Hunderte von Ingenieuren die Hochschulen verlassen. Die Leistungsfahrt brachte den Amerikanern nach ein paar Anläufen und teilweisem Umbau, die geforderten Parameter und sie ließen es sich nicht nehmen ein paar Kästen Bier für uns auszugeben. Unsere Jungens freuten sich riesig, die Stasi schäumte und die Amis guckten wie immer "drollig" drein. Die einzigste die einen Schaden hatte war die "Küchenmieze". Deren Dolmetscher (ein Österreicher) hatte sie bei passender Gelegenheit "vernascht". Am nächsten Tag bekam sie schon die "rote Karte“ als meine Zusammenarbeit zu Ende ging hatten wir uns erst richtig an einander gewöhnt. Auch für ein richtiges Gespräch fanden wir mal Zeit, daraus konnte ich entnehmen, dass finanziell bei den Amerikanern keine Wünsche offen blieben.

RIV entwickelte sich schnell zum Nadelöhr der Trasse. Es lief nicht, laufend Pannen, maschinentechnische Ausfälle, Stasi (Sicherheit) immer dabei. RIV wurde unter "Parteikontrolle" gestellt. Was auch immer damit gemeint war ,- Bodo kümmerte sich um alles. Bodo wurde Bauleiter in meinem Abschnitt und später mein Trauzeuge. Wenn ich ihn erwähne, dann nur weil er bei mir eine gewisse Vorbildwirkung hatte. Bodo war Genosse der SED, Kumpel und ein "alter Fuchs" im Bau, was er des Öfteren bewies. Er schwebte ständig zwischen "Karl Marx - Orden" und "Parteiausschlussverfahren". Er war schon in mehreren Ländern auf Montage und nie untergegangen. Seine Energie in allen Lebenslagen, beeindruckte mich. Er war für mich "in Ordnung", er vergaß es nie uns zu sagen, wenn es mal geklappt hatte, in seiner nur ihm eigenen Art zu sagen :" Warum klappt das ? Weil wir etwas können!".

Ich beschränke mich mit meinen Zeilen auf meine eigenen Eindrücke und Erlebnisse. Kenner der Angelegenheit finden meine Niederschrift vielleicht zu harmlos, zu zaghaft, saft,- und kraftlos, aber was soll ich machen? Einiges habe ich schon vergessen, anderes verdrängt und vieles müsste ich erst langatmig, mühselig beschreiben und von meinem wahrlich nicht immer sehr kompetentem Standpunkt aus erklären. Zusammenhänge begreifen kann ohnehin nur wer sich die Mühe macht und sich näher mit der damaligen Zeit in der DDR befasst. Egal auf welcher Baustelle zur Essenszeit war Thema "1" immer bevorzugt und die letzten Neuigkeiten von anderen Standorten. Wenn wieder mal Jemand von Russen verprügelt worden war, oder "Tanki" (Betankungsfahrer für Fahrzeuge draußen am Strang) sich furchtbar die Finger verbrannt hatte, als er sich blitzschnell aus der im ersten Stock gelegenden Wohnung seiner Geliebten mit einer Wäscheleine abseilen musste. Denn ihr Mann war unerwartet früher von der Nachtschicht nach Hause gekommen. Genauso fragten die Kollegen wer wohl der Idiot gewesen war, der den Diesel statt in den Tank in den Hydrauliktank eingefüllt hat. Keiner war das. Die einzelnen Baustellen, rückwärtige Verbindungen und die Technik musste bewacht werden. Viele Kollegen hatten einen Hund, der hieß dann z. B. "Primer", wie der amerikanische Klebstoff. So gut wie nichts konnte diese Hunde stören, sie dösten den ganzen Tag, aber so bald ein paar Worte russisch zu hören waren, dann ging die Kläfferei los. Einige wurden so wild, dass sie die "Freunde" angehen wollte.