Bei meinem ersten Urlaub in der Heimat gab es nun schon was zu erzählen. Ich fühlte mich wohl, hatte eine Freundin in Kremenshug, alles war soweit in Ordnung. Bei der nächsten Tour aber packte mich das Heimweh, denn in der Arbeit kam etwas Routine rein. Ich schrieb viele Briefe, an alle möglichen Bekannten und wartete sehnsüchtig auf Post. Außer von meiner deutschen Freundin kam wenig an Briefen. Wenn mal eine Woche für mich nichts dabei war, dann war ich maßlos enttäuscht. Ich begann mich intensiver um meine russischen Freundin zu kümmern. Die hatte ich beim Baden am Njeper am Strand gesehen und begonnen sie "Vollzuquatschen". Als eine Begleiterin sich zurück zog, erzählte sie mir auch etwas, nur ich konnte leider nichts verstehen. Wir gingen spazieren, haben uns verabredet, aber irgendetwas ist schief gegangen. Ich verlor sie aus den Augen. Wochen später traf ich sie zufällig in der Stadt. Von da an funktionierte alles besser und wir gingen schon wie alte Bekannte mit einander um. Es dauerte nicht lange bis die Liebe mit ins Spiel kam. Deshalb trennte ich mich auch von meiner deutschen Freundin. Ich begann über uns nachzudenken, verbrachte meine freie Zeit nur noch mit ihr und wenn ich auf Urlaub war fehlte sie mir sehr. Sie mitzunehmen war nicht möglich, also musste was passieren. Ich fragte sie einfach wie sie sich die Zukunft vorstellt und wir beschlossen zusammen zu bleiben, zu heiraten.

Um weiter in ihrer Nähe in Kremenshug bleiben zu können wechselte ich die Firma. Dort wurde ich Kranfahrer auf dem Containerbahnhof in einer prima Brigade fuhr ich den 12,5-tonner Kran. An die "Anlernzeit" erinnere ich mich nicht so gern, denn sie war problematisch. Der dafür zuständige Kollege war irgendwie laufend bockig, blubberte laufend rum. Wir konnten kein kameradschaftliches Vertrauensverhältnis aufbauen. Er war kurz gesagt "wie eine offene Selters". So lernte ich erst richtig mit dem Kran umzugehen als er in die Heimat ging und ich eigenständig bei fremden Firmen Hilfeleistungen ausführen musste. Als ich mir die nötigen Fertigkeiten beigebracht hatte, machte das Kranfahren erst richtig Spaß. Kein Stress, oft wechselnde Einsatzorte, dadurch ein scheinbar ungebundenes Leben, dazu ein Fahrzeug mit starkem Motor, der angenehm brummte, wenn man in der Stadt mal "auf den Pinsel drückte", was konnte es schöneres geben? Mein Eindruck war, dass die jungen Burschen aus unserem Lager zu schneidig, zu schnell fuhren. Als ich mal mit einem W5O Mulde unterwegs war wurde ich von einem Milizionär gestoppt. Er wollte nur ein Stück in meiner Richtung mitfahren. Zum Abschied klopfte er auf die Motorabdeckung, sagte“: Motor gut, aber du zu schell fahren". Obwohl mir viele Geschichten zu Ohren gekommen sind, wo die Miliz hart durchgegriffen hat, kann ich eigentlich nur Gutes berichten.

Auf meiner Arbeitsstelle dem Containerbahnhof Kremenshug wurde die Arbeit von einem erfahrenen Meister geplant, eingeteilt, kontrolliert. Sein Motto "immer Ordnung und Übersicht halten", auch wenn Kisten mehrmals umgestapelt werden mussten. Nur so war der Erfolg bei der Suche nach Teilen der Kompressorstation zu erreichen. Bei Ernst mit seiner ruhigen überlegten Art gab es keine überflüssigen Fragen. Bei den Be, - und Entladearbeiten machte das eingespielte Team so manche bühnenreife, artistische Nummer. Wir nannten uns deswegen auch manchmal "Zirkus Horn". Der Platz war begrenzt. Auf den Nachbargleisen arbeiteten Ukrainer, Bahnangestellte, mit Portalkränen. Einmal machte ich im Winter vor Kälte auf dem Wagen einen "Stepptanz" und der Kumpel auf dem Gleis neben mir tanzte mit und so temperamentvoll, dass er vom Container runtersegelte. Mit Lachen und jodeln war er im Nu wieder oben. So dick wie wir eingepackt waren, da konnte nicht viel passieren. Von meinen damaligen Kollegen hat mich nur Günter unser Brigadier und Leo sehr beeindruckt. Über jeden meiner Kollegen könnte ich mindestens eine Story erzählen, aber ich beschränke mich lieber auf meine eigenen "Eseleien", was vielleicht weniger interessant sein dürfte.

Nie würde ich verraten, wer mit mir Sonntagsdienst hatte. Als ich in den Küchenwagen gehen wollte saß er schon mit einer Bahnhofsarbeiterin drin. Sie war wegen dem kalten Wind auf dem Containerbahnhof sehr dick angezogen. Aber ihre schönen, ausgesprochen großen, strammen Brüste hatte er schon ausgepackt. Später, ich bin gleich rausgegangen, hat er mir was vorgeschwärmt über ihre tollen Beine "wie gedreht.....". Uns standen ein 3t Diesel-Gabelstapler, ein 12,5 t Autokran, ein 6O t Autokran (Gottwald) und ein Jeep Marke UAS zur Verfügung. Jeden Tag kamen Wagons an, die entladen werden mussten und laufend kamen Fahrzeuge die den Kram oder zwischen gelagertes Zeug abholten. Bestehend aus Kisten jeglicher Größe, Rohre die mit Transportern von Faun durch unwegsames Gelände bis zum Strang gebracht werden mussten. Es lief gut beim Zirkus Horn, es war ein schönes Arbeiten, kaum einer hatte Grund zum Meckern. Wie alle zusammen hielten, kann ich durch ein Beispiel belegen, bei dem ich keine rühmliche Rolle spiele.

Es war im Winter, ich sollte morgens, noch vor dem Schichtwechsel, Günter aus der Stadt abholen. Ich holte den Jeep aus dem Container und fuhr los. Bei der extremen Kälte lief der Motor unrund. Ich versuchte ihn zu stabilisieren durch verstärktes Gas geben. Kam aber dadurch zu sehr in Fahrt. Draußen dunkel, die Straßen spiegelglatt, - denn Streuen soll bei den Russen als Straßenverschmutzung verboten gewesen sein. Da habe ich auf gerader Strecke beim Ausweichen der Schlaglöcher, durch die zu hohe Geschwindigkeit und Glätte die Gewalt über das Fahrzeug verloren. Es ging bergauf und ich fuhr rechts die Böschung rauf, kippte um und blieb auf dem Dach liegen. Windschutzscheibe, Seitenscheiben, Heckscheibe, Plane, Striegel, einfach alle Aufbauten waren sofort platt und ich nahm schnell mein "Rübchen" bei Seite und kam dadurch überhaupt nicht zu Schaden. Motor aus, es roch sofort nach Benzin. Ich drückte sofort den Hauptschalter neben meinem Sitz aus, dann trat ich die Fahrertür auf und kroch raus. Ein eigenartiges Gefühl bemächtigte sich meiner. Als hätte ich Watte im Kopf. Ein Gemisch aus Angst, starkes Bedauern und Selbstmitleid. Ich ging einmal um die Schese herum, sah die Räder nach oben, sah das ganze "Gelumpe" was aus dem Fahrzeug rausgefallen war und staunte wie viel Zeug es war. Das Ganze kam mir unwirklich vor, so wie im Kino, als ob ich gar nicht mit dazu gehörte. Eine Straßenlaterne beleuchtete die Szene. Fußgetrappel aus Richtung der nahen Bushaltestelle brachte mich langsam in die Wirklichkeit zurück. "Mann, Scheiße. , das musste mir passieren .....!"

Da waren die Russen schon ran, wollten den Fahrer retten. Ich machte ihnen klar, dass ich der Unglücksrabe war. Fing dann an auf deutsch-russisch an zu lamentieren "alles kaputt... ", aber das ließen die Jungens nicht gelten. Schüttelten mir die Hände, "... alles gut, du nicht kaputt, wot Motor, wot Karopka, fco na Mestje, alles noch an seinem Platz...". Mit drei Mann kippten wir die Karre wieder auf die Räder, wobei ich noch schnell die Handbremse anzog, als wir auf einer Seite waren, damit sich die Schese bergab nicht noch selbständig machte. Oje, oje, da stand es nun mein Werk. Die Kumpels halfen mir noch den ganzen Krempel der in der Gegend rumlag wieder ins Fahrzeug reinzuwerfen. Ich setzte mich ans Steuer, ließ den Motor an und siehe da er lief prima ohne zu stottern. Zurück zum Bahnhof musste ich mit einer Hand die Plane runterdrücken, die beim Fahrtwind mir die Sicht nahm. Auf mein intensives Hupkonzert kam "Fichtel" mein Kollege von der Nachtschicht angerannt, öffnete schnell den Garagencontainer, ich fuhr rein, Tür zu und da kam auch schon der Bus vom Lager mit der Frühschicht. Keiner hat was gesehen, "Guten Morgen. , alles klar, nur Günter fehlte". Bei Tageslicht betrachtet sah die Sache nicht mehr ganz so schlimm aus. Alles oberhalb war kaputt, dazu das linke Rücklicht, na mal sehen wie wir das wieder hinkriegen. Erst mal den Mund halten und bei Ernste beichten gehen. Günter kam mit und das lief ungefähr so ab. "Ernst, hör mal, der Helmut hat ein bisschen zu früh aus dem Wagen ein Kabrio gemacht,....... wir kriegen das schon wieder hin, ......". Er schüttelte ungläubig den Kopf und meinte“ :Na ja, wenn der Wagen in ca. einer Woche wieder einsatzbereit ist, dann Schwamm drüber !" Natürlich müssten wir das allein schaffen meinte Günter. Für mich alles klar ,- erst mal zu meiner Freundin, ihr den Fall erklären und mit ihrer Unterstützung versuchen die nötigen Ersatzteile zu besorgen.

Sie war Zivilbeschäftigte bei der Roten Armee, genauer gesagt, sie fertigte Torten und Kekse für diese Garnison, in deren Siedlung sie wohnte. Als Konditorin kannte sie die richtigen Leute, Magaziner, die sich die Scheiben "fürstlich" bezahlen ließen. Um die defekte Plane wieder hinzubekommen brauchte ich die Hilfe eines jüdischen Sattlers. Der wollte kein Geld, sondern nur eine große Kiste mit Briketts. Die habe ich ihm mit einem LKW mit Ladekran mitten in der Stadt vor die Eingangstür gestellt. Als Fazit möchte ich ziehen, dass ich mich sich auf alle Kollegen verlassen konnte. In anderen Firmen auf der Baustelle sind Jungens für weniger nach Hause gefahren.

Eigentlich möchte ich nicht hintereinander erzählen was ich so für Mist gebaut habe, aber eine Sache schiebe ich gleich nach. Das war das Ding, was mir auch im Winter, im ersten Jahr, dort passierte. Der Meister der Schlosserbrigade gab mir den Auftrag einen Werkstattwagen von Kremenshug nach Alexandrowka zu überführen. Ich fuhr nach dem Frühstück los. Ich traute mich nicht über 7O Km/h, denn die Straßen waren spiegelglatt. Verwundert stellte ich fest, wie mich alle Russen überholten. Wenn ich dann ein bisschen mehr Gas gab fing der Wagen sofort an zu schwimmen und ich ging ganz schnell wieder runter vom Pedal. Auf der Hinfahrt gleich stadtauswärts kam eine Baustelle. Eine kleine Brücke wurde erneuert. Der Verkehr wurde daneben vorbei geleitet. Kein Warnschild, nur auf der Brücke war die Straße mit einer Latte, oder Eisenträger abgesperrt. Bin gut in Alexandrowka gelandet. Wurde schon erwartet auf der dortigen Schweißbase. Übergabe des Werkstattwagens samt Inhalt prima geklappt. Rückfahrt möglich mit einem Mannschaftswagen der rückwärtigen Dienste möglich. Wenn ich mich beeile warten sie auf mich, wurde mir versprochen. Da die Kumpels doch warten mussten, wurde ich "verurteilt" den Wagen zu fahren. Ich war ehrlich froh nicht in Alexandrowka, im Wohnlager übernachten zu müssen, deshalb war ich einverstanden. Ein Fehler, der mich noch bis heute verfolgt! Ich setzte mich hinters Steuer und merkte gleich, dass der Mannschaftswagen, mit ca.8 Mann belegt, viel besser auf der Straße lag. Da konnte ich etwas schneller fahren. Alles lief gut ab, hinter mir "grunzten" alle und die Zeit war knapp. Im kremenshuger Lager sollte am Abend Frank Schöbel im Speisesaal auftreten,- deshalb wurde mir gesagt :"Hau den Riemen auf die Orgel , wir essen zeitig!". Ich war ruhig und der Wagen brachte auch eine gute Leistung bis zum Außenbezirk von Kremenshug. Bei den Künstlern der ehemaligen DDR war es schon beinahe Pflicht einmal wenigstens an diesem Jugendobjekt der "Freien deutschen Jugend" der "Druschba-Trasse" durch Auftritte an allen Stützpunkten aufzutreten. Dadurch wurde ich mit einigen Künstlern konfrontiert, die ich als "Westfernsehkonsument" noch gar nicht kannte. Im Dunklen kam auf einmal die Brückenbaustelle auf mich zu. Bei gut 7O Km/h war alles zu spät. Ich sah, dass ein runterfahren auf die Umgehung sehr gefährlich werden könnte, deshalb entschied ich mich in den 1OO`tel Sekunden doch mal kurz die Bremse leicht anzutippen. Bei der Glätte drehte sich der Wagen sofort und wir rutschten trotz Gegenlenken von der Fahrbahn. Ich hatte nur die Absperrstange auf mich zukommen sehen und weil ich nicht wusste ob sie aus Holz oder aus Eisen war reagierte ich so, einem Schutzengel vertrauend, der es trotz alle dem gut mit mir meinte! Also "ab ging die Post", um 18O Grad drehten wir uns, zerschmetterten gut 2O m Stapffetenzaun mit der Breitseite, legten einen morschen, trocknen Apfelbaum um und kamen zum Glück kurz vor einer Lehmkate zum stehen. Vorher stießen wir noch mit den Zwillingsreifen hinten gegen einen Lichtmast, bei dem durch den Hieb die Drähte ein paar mal zusammen schlugen. Im Funkenregen, wie zu Sylvester, kamen wir zum Stehen. Die Scheinwerfer brannten, das wunderte mich ! Ich paus und die Kumpels waren auch gleich munter. Außer die Sprosse zum Einsteigen auf der Beifahrerseite, war nichts verbogen, nichts kaputt. Ich konnte es nicht fassen. Unser "Ausrutscher" war auch von anderen Benutzern der Straße bemerkt worden, die wollten spontan helfen. Der Fahrer eines SIL`s fragte nach einer Trosse, legte sie nach dem sie fest war um seine Stoßstange und fing gleich an zu ziehen. Ich konnte ihn gerade noch bremsen, denn es saß Niemand hinterm Steuer. Außerdem hatte sich der Strunk vom Apfelbaum unter der Stoßstange verhakelt und es währe uns unweigerlich die selbe abgerissen worden. Ein Russe fragte nach einem schweren Hammer, hatte ihn gleich zur Hand und ich konnte noch im letzten Moment die Hände eines Kollegen bei Seite reißen, da hatte unser russischer Helfer auch schon zu geschlagen und der Wagen war frei! Im Nu waren wir auf den Fahrweg gezogen, fuhren los und erreichten das deutsche Lager noch rechtzeitig zum Konzert.

Es war nicht schlecht, denn die Band spielte alles was auf Zuruf gewünscht wurde. Der Takt mit dem Klang der Bierflaschen auf den Tischen begleitet im Speisesaal. Durch Zufall erfuhr ich mal beim Heimaturlaub kurz danach von meinem künstlerischen Leiter eines Fotozirkels der Redakteur bei der Zeitung Tribüne war die wahre Meinung des Frank Schöbel über seien Auftritt an der "Trasse". In seinem Bericht für die Zeitung hatte es immer in Klammern neben dem "euphorischem Texts" geheißen, dass die Trassenbauer sich wie die "wilden Tiere" verhalten hätten. Man konnte es den einzelnen Interpreten nicht ansehen, was sie dabei dachten, aber zum Beispiel bei der Gruppe "Karat", oder bei den "Pudis" war ich eigentlich der Meinung, dass sie mit dem Publikum immer auf einen Nenner war! Auf jeden Fall stellten sie ein wichtiges Bindeglied zur Heimat dar. Am nächsten Morgen meldete ich meinen "Ausrutscher" beim Dispetscher. Der Dolmetscher sollte mitkommen und auf dessen Anraten kaufte ich in unserem Laden von jeder Sorte eine Schachtel Zigaretten, Schnaps und Konfekt. So präpariert fuhren wir mit einem Jeep zum Unfallort. Die Leute, die dort wohnten waren schon Rentner und freuten sich sehr über unser Erscheinen. Der Hausherr zeigte uns dass der Zaun noch an zwei Stellen eingefahren war und wir währen die Ersten die sich meldeten. Die Geschenke nahmen sie mit Freude an, unterschrieben anstandslos eine vorbereitete Verzichtserklärung.