Auf Lotto und Toto kann man sich ja nicht verlassen. Da es sich bei mir um einen Betriebsunfall handelt, müsste die finanzielle Absicherung gut sein. Ob Umschulung, Endlassung, oder anderweitige Beschäftigung in Frage kommt ist noch ungewiss, zumal der Betrieb noch nicht mal eine Reaktion gezeigt hat. Eigenartig mutet es an, dass sich komplett die Verwandtschaft nur noch zu den Begräbnissen trifft. Dann findet jeder die Zeit und man erfährt etwas vom Schicksal der anderen. Bei jeder Familie ist etwas vorgefallen, Knochen gebrochen, im Spreewald fast alle arbeitslos, gesundheitlich der Eine oder Andere labil, es gibt so viele Dinge, die uns berühren, weil wir sie erst jetzt erfahren. Das eigene Schicksal wird doch etwas unbedeutender. Endlich zu Hause und dann am Wochenende Besuch von drei Familien. Erwähnenswert ist nur was wir mit einem Gast einer Familie, der aus der Ukraine kommt, diskutierten.
Wenn man es kurz fassen würde, war nur die so genannte "Wende" in der früheren DDR unser Thema. In zweiter Linie ging es um die Lebensbedingungen in der früheren UdSSR, im Gegensatz zu heute. Obwohl ich mit ihm über alle möglichen Themen des täglichen Lebens diskutierte, kamen wir auf keinen gemeinsamen Nenner. Erst als er werggefahren war erkannte ich, dass seine politische Position, die eines "Künstlers" ist, weil er beim Theater in Kiew arbeitet. Nun von meinem Erkenntnisstand des heutigem Tages, dem Sonntag 17.01.93 alles zu beschreiben dürfte selbst für mich selber von Interesse werden, in einigen Jahren.
Anfänglich bestätigte er mir, dass das Leben in der ehemaligen Sowjetunion sehr teuer geworden ist. Die Ursachen dafür führten zum ersten Disput. Heutige Schwierigkeiten, die Korruption, Kriminalität, allgemeine Arbeitsunlust weil mit Kauf und Verkauf von Dingen des täglichen Bedarfs an einem Tag der Verdienst eines ganzen Monats erzielt werden kann. Er verglich dies alles mit einer "nötigen" Übergangszeit, in der sich alles selber regeln würde. Für ihm ist z.B. Mafia usw. der Eiter in einer Wunde, die hervorgerufen durch eine Operation die durch Schuld der ehemaligen kommunistischen Regierung notwendig wurde. Um ihm auf solche recht gewagte Aussagen einen kräftigen Dämpfer zu geben vertrat ich die Auffassung, dass in Russland nur ein Typ wie Stalin für Ordnung sorgen kann. Dreihunderttausend sofort nach Sibirien, einige Hunderttausend "an die Wand" und schon ist die Motivation zur Arbeit wieder da. Stalin,- der war ein Verbrecher.
Nur mit drakonischen Maßnamen kann wieder Ordnung geschaffen werden. Alle sogenannten Freiräume, für die es noch keine rechtliche Handhabe gibt ,- für das es noch keine gesetzliche Reglung gibt, werden von gewissenlosen Menschen ausgenutzt und mit dem Begriff "freie Marktwirtschaft" bemäntelt. So viele leitende Persönlichkeiten, angefangen vom Werksleiter bis zum Minister, sind so korrupt, dass nur noch ein "Standgericht" für Ordnung sorgen kann. Um die Leute, die wie Parasiten leben ist es nicht schade. Die Mafia ist stark, grenzüberschreitend, umfasst so ziemlich alles, von Narkotiker bis Prostitution, Raub und Mord. Nur ein Diktator mit festem Ziel (natürlich selbstlos) kann den totalen Niedergang aufhalten.
Diese Meinung vertrete ich nur, weil ich Land und Leute zu kennen glaube. Der ukrainische Gast meinte noch, dass wir "reich" leben, worauf nur zu antworten war, dass dieser sogenannte Reichtum zur DDR-Zeit entstand. Er meinte es würde sich lohen hier zu arbeiten. Absolut richtig ,- aber wo bekommt man Arbeit? Für ihm war es nicht einzusehen, wieso gerade er keine Arbeit bekommen sollte. Gerade solch ein "Künstler" wie er, der noch nie richtig gearbeitet hat, auf den wird hier in Deutschland gewartet? Aber zurück zum Stalin, den ich nur als Beispiel angeführt habe.
Ohne zu überlegen kann man Stalin mit Hitler vergleichen und die Opfer hochrechnen. Eine Bekannte von uns in Beloretshensk, die so etwa 70 Jahre sein dürfte, ist bis heute überzeugt dass nur Stalin die heutige Krisen überwinden könnte. Nachweislich hat Stalin in der Zeit als er regierte für sich persönlich keine Reichtümer angehäuft. Als er starb fand man in der Tischschublade seine Tabakspfeife, ein paar Notizen und so etwas wie einen Abrechnungsstreifen über finanzielle Vergütung. Außer seinen Uniformen, den Stiefeln, war der Nachlass nicht der Rede wert. Als Beweis möchte ich anführen, dass jeder weiß, dass seine Tochter bettelarm in Amerika (?) ihr Leben fristet, von Sozialhilfe lebt. Nicht ein jetziger, oder ehemaliger Staatsmann, der nicht "Rücklagen" hat. Immer haben sie "ausgesorgt" (siehe Gorbatschow). Diese Dinge erkennen ist eine Sache, aber soll ich mich darüber aufregen? Die Zeit hat sich gewandelt.
Die DDR ist untergegangen, weil die Bevölkerung sie nicht mehr das sozialistische, kommunistische, wollte. Die Hüter der sozialistischen Staatsmacht sind ihrer Rolle nicht gerecht geworden. Das System des Sozialismus "unmenschlich" zu bezeichnen ist unrichtig, weil gerade der friedliche Untergang, ohne Blutvergießen, der beste Beweis für die Menschlichkeit ist.
Zurück zu Stalin , der ohne Zweifel ein großer Stratege war. Die kommunistische Ideologie ist jetzt natürlich nicht mehr "zeitgemäß", aber ohne jeglichen Glauben an eine Sache, das bringt das absolute Chaos. Einen Vergleich zur ehem. DDR kann man nicht ziehen, wohl aber den Untergang der DDR als den Beginn des Unterganges der UdSSR bezeichnen. Zerfall des sozialistischen Lagers bringt eine gigantische Wirtschaftskrise über die meisten kapitalistischen Länder. Anstatt ein riesiger neuer Absatzmarkt entsteht Arbeitslosigkeit in ungeahnten Dimensionen, sowohl hier wie dort. Proportional dazu steigt die Kriminalität im Osten und Westen durch die Ostler und westliche "Glücksritter". Die Entwicklungen der Zeit bis 1993 konnte auch ich nicht voraussehen, aber was wir aus der ehem. DDR mal in der Schule im politischen Unterricht, Staatsbürgerkunde, Politunterricht bei der Volksarmee oder in der Parteischule, alle negativen Urteile über das kapitalistische System entsprechen den heutigen Tatsachen. In der Zukunft kann der Ausweg aus der Krise nur Krieg sein. Öffnen wir unsere Augen, dann stellen wir fest, dass der Krieg bereits an vielen Stellen wütet, eigentlich nie aufgehört hat. Am schlimmsten empfinde ich, dass sich alle Parteien, die Menschen schlichtweg ermorden, sich "Patrioten" nennen.
Die Massenmedien bilden das Sprachrohr und politische Bühne für Verbrecher. Die dickste Lüge wird akzeptiert, wenn es in den Kram passt. Wie soll man einen General anders nennen, der z. B. eine eingeschlossene Stadt, wo Zivilisten sind, mit Kanonen beschießen lässt? Wir sehen es im Fernseher, doch weil wir nicht unmittelbar betroffen sind, schütteln wir nur mit dem Kopf und sagen uns, dass wir es nicht ändern können. So reagierten schon unsere Vorfahren, so liegt es in der Natur des Menschen, so wird es weiterhin sein. Dabei ist es erschütternd , eine alte Frau zu sehen, wie sie in ihrem zerstörten Haus, nach ein paar Kleinigkeiten sucht und mit Tränen von ihrer Heimat erzählt. Sie versteht nicht warum der Krieg sein musste, weshalb die Zerstörung, die Nachbarn von einst sich in Freund und Feind teilten, Hunger Folter und Vergewaltigung dazu gehören. Für eine Seite Partei ergreifen bedeutet über einiges hinweg zu sehen. Blind für das eigene Unrecht - taub für wehklagende alte Weiber wird durchgeladen und auf alles auf der Gegenseite geschossen, um dem Gegner Verluste, Schaden zu zufügen. Um jeden Preis, ohne Gewissen, ohne menschlichem Gefühl hart zuschlagen, nur Siege melden, Gebiete befreien, Held sein, vor den Massenmedien von Gerechtigkeit "faseln", um sich danach wieder der Planung weiterer Verbrechen zu zuwenden. Sind das nicht zivilisierte Leute? Hatten sie keine Mutter, Elternhaus, Schulbildung? Trotz aller Nachrichten, Fernsehberichten mit viel Blut und detonierenden Granaten, können wir dabei noch Abendbrot essen, ruhig schlafen. Wir benehmen uns, als ob es sich nur um einen Kinofilm handelt, ..... es geht uns nicht , oder , na ja, nicht so direkt an, es ist weit weg .... .