Gedanken zum Jahreswechsel 1992 - 93 ..... Was ist Zeit?

Wenn man eine Geschichte, so wie ich, erzählt, dann lebt die Geschichte nur von Überraschenden Wendungen. Der Dezember 92 brachte mein Leben ganz gehörig durcheinander. Am 08.12. wollten wir den Geburtstag einer Freundin feiern. Es war ein Dienstag, ich kam nicht sehr spät von Arbeit in Erkner an und wollte mit dem Moped von Franks Wohnung nach Hause. Dann umziehen und mit dem Auto gegen Abend dorthin. Um 16 Uhr 30 war die Fürstenbuckler Straße bis zur geschlossenen Eisenbahnschranke mit Fahrzeugen zu. Ich überholte den Stau, bis auf einmal plötzlich ein Auto blinkend vor mir ausscherte. Das kam so überraschend, dass ich einige gewagte Ausweichmanöver machte, bei dem ich dann zu Boden ging. Der Fahrer des Golf hielt gleich in der Thälmannstr. an. So schnell bremsen konnte ich nicht, links vorbei ging nicht, da der Wagen links abbiegen wollte, dann rechts vorbei war auch zu knapp. Habe wahrscheinlich mit dem Schutzblech vorn seine Stoßstange hinten berührt und mich seitlich überschlagen. Als ich mich abrollte, landete ich auf dem rechten Bein. Beim Aufstehen merkte ich dass meine Knochen übereinander gerutscht waren. Beim Aufrichten ging er zurück und ich merkte dass es mir sehr schwer fiel zu stehen. Mit Hilfe des Golf-Fahrers Moped aufgerichtet und zur Seite geschoben. Ein Taxi-Fahrer fragte ob wir die Polizei wollen ,- her damit und Notarzt auch noch. Polizei war in den nächsten 5 Minuten da, nach weiteren 15 Minuten Notarzt und Krankenwagen. Mit Mühe und Not konnte ich meine Forderungen durchsetzen wie Moped an einen Zaun anschließen. Schon ging es nach dem der (einzelne) Polizist Adressen, Versicherungen aufgenommen hatte, wurde ich mit "tatü, tata" nach Krankenhaus Rumpelsdorf zur Notaufnahme gefahren.

Sofort geröntgt und man sagte mir, dass unter der rechten Kniescheibe vom Plato, wo sich der obere Knochen abstützt, ein Teil abgebrochen ist. Das abgebrochene Teil liegt aber günstig, so dass wahrscheinlich nicht operiert werden muss. Einweisung in Station 5 Zimmer 572. Sechs Tage später nach dem ich die Zustimmung gegeben hatte, wurde mir aus der rechten Hüfte Knochenmark entnommen, unterm Knie untergefüttert, eine Blechplatte mit fünf oder sechs Schrauben hält das Bruchstück. Die ersten drei Nächte konnte ich vor Schmerzen kaum schlafen und nach der Operation wieder drei Nächte nicht, ohne Spritze. Hatte man mir in der ersten Woche noch gestattet mit Krücken zur Toilette zu gehen, so verbot man es mir nach dem Eingriff. Im Bett den Stuhlgang nach vier Tagen auf dem "Schieber" zu verrichten war ein Erlebnis, auf das ich gerne verzichtet hätte.

Also, am 08. verunglückt, am 14. operiert und wenn das Bein bis 45 Grad bewegt werden kann, dann kann es klappen mit nach Hause, zu Weihnachten. Anstatt nach Hause musste ich auf die Intensivstation, weil man eine Thrombose festgestellt hatte. Ich gab nach eingehender Beratung mit zwei Ärzten über Vorteile und Nachteile, meine Einwilligung. Das Blut wird ganz dünnflüssig gemacht und die Thrombose somit aufgelöst. Abends ging es los. In meinem rechten Arm wurde in die Vene ein langes Stück reingeschoben und dadurch lief dann die Infusion. Nach den ersten 12 Stunden wurde mit (ich glaube Ultraschall) einem Computer gestütztem Gerät nachgeprüft und das Ergebnis war niederschmetternd. Es war nichts passiert. Darauf hin wurde ich für drei Tage mit diesem Zeug weiter versorgt. Ich bekam noch für ca. drei Tage eine Angina. Da bekam ich die Zähne nur noch für ein paar Millimeter auseinander. Somit erlebte ich Sylvester und den Jahreswechsel mit 39,7 Fieber.

So viel Pech auf einmal war einfach zu viel für mich, denn nach den drei Tagen wurde festgestellt, dass in meinem rechten Bein die Hauptvene noch immer zu und das mindestens auf 30 cm.. Vom Anfang an meines Aufendhaltes war mein Kumpel oft nachsehen, wie es mir geht. Er brachte mir einen kleinen Farbfernseher, reparierte die Wasserversorgung, als die alte Pumpe eingefroren war und der Motor durchbrannte. Für eine Woche waren bis zu - 20 Grad, Valentina kam mit dem Heizen nicht mehr hinterher. Unser Nachbar Otto heizte am Tage auch noch. Die Hühner hatten es trotz elektrischem Heizofen und roter Lampe sehr kalt. Ich lag im ganzen 5 Wochen im Krankenhaus. Am 21.12. bekamen wir mehrere Telegramme, die uns zu meiner Mutter riefen, denn sie musste ins Krankenhaus. Zum Weihnachtsfest war geplant bei uns gemeinsam zu feiern. Valja wollte sie trotzdem abholen, aber schon beim zweiten Besuch im Diakonissenheim war sie nicht mehr ansprechbar. Ich bat bei der morgendlichen Visite um ein paar Stunden Urlaub, den man mir aber verweigerte mit dem Hinweis, dass wir in einem freien Land leben, aber ich würde meine Rentenansprüche riskieren, falz etwas schief gehen würde. Mutter starb dann am 07.01.93 und zur Beerdigung wurde ich entlassen. Rein hat mir seinen Renault 5 verkauft, umgemeldet, versichert. Einige Male hat er mich besucht und ich werde es ihm vergelten.

In der Zeit, als ich dort liegen musste, wurde mir meine Hilflosigkeit bitter bewusst. So etwas ist mir noch nie passiert, dass ich in Lebensgefahr durch eine Lungenembolie, oder tagelang an Maschinen angeschlossen völlig den Ärzten und Schwestern ausgeliefert war. Im Bett liegen und warten dass die Zeit vergeht. Da kommen Gedanken nach dem Sinn des Lebens, nach dem Sinn von Hektik und wie es kommt, dass nun auf einmal so viel Zeit da ist. Also, muss ich mein Leben verändern, mir Zeit nehmen, denn sie ist ja vorhanden. Egal ob zum Verreisen, oder zum Erholen, - sie ist da und war immer da! Die wieder entdeckte Zeit ist noch nicht alles was ich erfahren durfte. Meine Frau, für die ich bisher immer bemüht war möglichst alles zu regeln, zu unterstützen, beraten und zu helfen, musste auf einmal völlig selbständig handeln. Nicht nur mit dem Auto zu meiner kranken Mutter, sondern auch Probleme mit Wasserversorgung, Versicherungen und weiterhin täglich zur Arbeit, mich besuchen, Kälte bis -20 Grad und der Luftheizungsofen qualmte, die obere Ofenklappe hatte defektes Innenteil, klemmte bis ein Scharnier brach und der Ofen nicht mehr richtig verschlossen werden konnte.

Nun ist zwar alles behoben, aber wenn ich nicht die meiste Zeit am Tage liege schwillt mein rechtes Bein so stark an, dass mir Angst und Bange wurde. Am 07.01.93 starb meine Mutter. Das die Beerdigung, das Verständigen der Verwandten, Absprache mit dem Pfarrer, meine Frau organisieren musste ist klar. Am 12.01. um 13 Uhr wurde sie dann neben Vater in Erkner gelegt. Anlässlich der Beerdigung wurde ich endlich aus dem Krankenhaus entlassen. Eigentlich wollte man mir nur ein paar Stunden Urlaub geben, aber ich glaube ich währe geplatzt vor Wut. Der Anblick der Verwandten, meine Humpelei mit den zwei Krücken, das kam mir irgendwie vor als ob es nicht wahr währe. Dass Mutter mit 82 Jahren bald Vater folgen würde war klar, doch die Umstände wie alles ablief, das war schon recht deprimierend. Wenn ich aber bedenke, dass ich mir auch hätte das Genick brechen können,- dann sieht die Welt schon nicht mehr ganz so traurig aus.

Meine Arbeit als LKW-Fahrer, Beifahrer, Auslieferungsfahrer für Backmittel ,- was ja nichts weiter besagt, als Zuckersäcke schleppen, Margarine, Marmeladeeimer, Mehl und Backmischungen in Säcken aus Papier, Mohn, Mandeln u. s. w. ...., ob ich das noch machen kann mit einer Blechplatte knapp unterm rechten Knie, das glaube ich kaum. Deshalb erst mal abwarten ,- nur nichts überstürzen.